Was ist eine Bürgerstiftung?
Was genau sind Bürgerstiftungen?
Eine Bürgerstiftung ist eine unabhängige, autonom handelnde, gemeinnützige Stiftung von Bürgern/-innen für Bürger/-innen mit möglichst breitem Stiftungszweck. Sie engagiert sich nachhaltig und dauerhaft für das Gemeinwesen in einem geographisch begrenzten Raum und ist in der Regel fördernd und operativ für alle Bürgerinnen und Bürger ihres definierten Einzugsgebietes tätig. Sie unterstützt mit ihrer Arbeit bürgerschaftliches Engagement.
Nach dem US-amerikanischen Vorbild der Community Foundation entstanden ab dem Jahre 1996 in Deutschland die ersten Bürgerstiftungen in Gütersloh und in Hannover. Inzwischen gibt es deutschlandweit rund 400 Bürgerstiftungen. Der Grundgedanke einer Bürgerstiftung liegt darin, dass sich Privatpersonen, Unternehmen, Vereine und andere Organisationen gemeinsam und selbstorganisiert für das Gemeinwohl engagieren – und zwar dort, wo man lebt, arbeitet oder Geschäfte macht: in einer Stadt, einer Gemeinde, einem Kreis oder einer Region. Bürgerstiftungen haben wegen unterschiedlicher Aspekte viel Interesse und Beachtung gefunden. Beispielsweise wegen ihrer Möglichkeiten für demokratische Willensbildungsprozesse, als Reaktion auf neue gesellschaftliche Herausforderungen, als Antwort auch auf die Grenzen finanzieller staatlicher Leistungsfähigkeit, wegen der Bildung zivilgesellschaftlichen Eigenkapitals und der innovativen Verbindung der Stiftungsidee mit assoziativen, vereinsähnlichen Elementen.
Der Begriff „Bürgerstiftung“ ist aus der Praxis entstanden und in Deutschland rechtlich nicht geschützt. Daher erarbeiteten die ersten Bürgerstiftungen mit den „10 Merkmalen einer Bürgerstiftung“ eine Selbstdefinition, die der Arbeitskreis Bürgerstiftungen des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen im Mai 2000 verabschiedet hat. Sie dienen auch dazu, Bürgerstiftungen von kommunalen Stiftungen abzugrenzen, die sich zwar „Bürgerstiftung“ nennen, aber weniger der Förderung bürgerschaftlichen Engagements als vielmehr dem Stopfen kommunaler Haushaltslöcher dienen.
Im Unterschied zu herkömmlichen Stiftungen werden Bürgerstiftungen nicht von einer Einzelperson oder Organisationen dominiert. Ihr Handeln ist zudem stets auf ein lokal oder regional bestimmtes Gebiet konzentriert. Das Stiftungskaptal wird dabei von vielen Stiftungen gemeinsam aufgebracht, die Erträge können in eine breite Anzahl von Förderzwecken fließen.
Jede Bürgerstiftung weist individuelle Merkmale auf und wird durch die handelnden Personen mitgeprägt. Auch die Größe der Stadt, die Bevölkerungs- und Vermögensstrukturen sowie lokale oder regionale gesellschaftliche Herausforderungen haben Einfluss auf die Arbeit der Bürgerstiftung. Alle deutschen Bürgerstiftungen basieren dennoch auf dem gleichen Stiftungsmodell. Bürgerstiftungen wollen stifterisches und bürgerschaftliches Engagement vor Ort mobilisieren, fördern und bündeln. Sie ermöglichen langfristiges, auch institutionalisiertes Engagement ebenso wie zeitlich befristete oder einmalige Formen der Beteiligung.
Die „10 Merkmale einer Bürgerstiftung“
- Eine Bürgerstiftung ist gemeinnützig und will das Gemeinwesen stärken. Sie versteht sich als Element einer selbstbestimmten Bürgerschaft.
- Eine Bürgerstiftung wird in der Regel von mehreren Stiftern erreichtet. Eine Initiative zu ihrer Einrichtung kann auch von Einzelpersonen oder einzelnen Institutionen ausgehen.
- Eine Bürgerstiftung ist wirtschaftlich und politisch unabhängig. Sie ist konfessionell oder parteipolitisch nicht gebunden. Eine Dominanz einzelner Stifter, Parteien oder Unternehmen wird abgelehnt. Politische Gremien und Verwaltungsspitzen dürfen keinen bestimmenden Einfluss auf Entscheidungen nehmen.
- Das Aktionsgebiet einer Bürgerstiftung ist geographisch ausgerichtet: auf eine Stadt, einen Landkreis, eine Region.
- Eine Bürgerstiftung baut kontinuierlich Stiftungskapital auf. Dabei gibt sie allen Bürgern/-innen, die sich einer bestimmten Stadt oder Region verbunden fühlen und die Stiftungsziele bejahen, die Möglichkeit einer Zustiftung. Sie sammelt darüber hinaus Projektspenden und kann Unterstiftungen und Fonds errichten, die einzelne der in der Satzung aufgeführten Zwecke verfolgen oder auch regionale Teilgebiete fördern.
- Eine Bürgerstiftung wirkt in einem breiten Spektrum des städtischen oder regionalen Lebens, dessen Förderung für die im Vordergrund steht. Ihr Stiftungszweck ist daher breit. Er umfasst in der Regel den kulturellen Sektor, Jugend und Soziales, das Bildungswesen, Natur und Umwelt und den Denkmalschutz. Sie wirkt fördernd und/oder operativ und sollte innovativ sein.
- Eine Bürgerstiftung fördert Projekte, die von bürgerschaftlichem Engagement getragen sind oder Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Dabei bemüht sie sich um neue Formen des gesellschaftlichen Engagements.
- Eine Bürgerstiftung macht ihre Projekte öffentlich und betreibt eine ausgeprägte Öffentlichkeitsarbeit, um allen Bürgern/-innen ihrer Region die Möglichkeit zu geben, sich an den Projekten zu beteiligen.
- Eine Bürgerstiftung kann ein lokales Netzwerk innerhalb verschiedener gemeinnütziger Organisationen einer Stadt oder Region koordinieren.
- Die interne Arbeit einer Bürgerstiftung ist durch Partizipation und Transparenz geprägt. Eine Bürgerstiftung hat mehrere Gremien (Vorstand und Kontrollorgan), in denen Bürger/-innen für Bürger/-innen ausführende und kontrollierende Funktionen innehaben.
(aus: Stefan Nährlich und Gudrun Sonnenberg (Hrsg.), Wir Bürgerstifter, Wiesbaden 2017)